EU-Regulierer: Plan zur Kupfer-Glas-Migration bis 2030 ist „überambitioniert“
Länder mit starken Ex-Monopolisten wie der Deutschen Telekom erweisen sich als Bremsklotz bei dem Ziel der EU-Kommission, bis 2030 die Kupfer-Glas-Migration erfolgreich umzusetzen. Die europäische Regulierungsbehörde sieht die Pläne daher als überambitioniert an.
Auf der grünen Wiese lässt sich immer besser bauen. Daher sind einige andere Länder beim Breitbandausbau teilweise schon weiter als Deutschland, wo man bei der auf Kupferkabeln basierenden ISDN-Technik lange führend war in Europa.
Wie heise online aus dem jüngst vorgelegten zweiten Fortschrittsbericht des Gremiums der Europäischen Regulierungsbehörden (GEREK oder BEREC) zur Kupfer-Glas-Migration zitiert, gehen aktuell nur zehn europäische Länder, darunter zwei Nicht-EU-Mitglieder, davon aus, bis 2030 ihre Kupfernetze abschalten zu können.
Nur wenige Länder sind schon so weit
In 14 Ländern, darunter elf EU-Mitgliedsstaaten, hätten die Netzbetreiber mit erheblichem Marktanteil noch keine Abschaltungspläne angekündigt.
Damit ist es unwahrscheinlich, dass die EU-Kommission ihr Ziel erreicht, bis 2030 in allen Ländern die bestehenden Kupfer- durch Glasfaserleitungen zu ersetzen, um den Breitbandausbau voranzutreiben. Entsprechend bezeichnet das Gremium der Regulierer die EU-Ziele in dem neuen Bericht auch als „überambitioniert“ und solche Leitplanken auch nicht als „das geeignetste Instrument, um die sehr unterschiedliche Situation in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu bewältigen“.
Dem Berichtsentwurf, der laut heise bis zum 31. Januar 2025 kommentiert werden kann, liegt eine im Frühjahr 2024 durchgeführte Umfrage bei 31 europäischen Regulierungsbehörden zugrunde, zu denen auch die zuständigen Ämter in den 27 Mitgliedsstaaten wie die deutsche Bundesnetzagentur gehören.
Verbesserungen, aber noch wenig konkrete Pläne für vollständige Kupfer-Glas-Migration
Auf europäischer Ebene hätte sich seit 2022 schon viel verbessert und seien erhebliche Fortschritte beim Glasfaserausbau erkennbar. Auch die Zahl der Länder, die den Umstieg schon geschafft haben, habe sich erhöht.
Knapp die Hälfte der genannten Betreiber mit signifikanter Marktmacht haben schon angekündigt, ihre alten Netze vollständig abzuschalten. Vorreiter sind dabei unter anderem Anbieter in Belgien, Dänemark, Spanien, Frankreich, Italien, Portugal und Schweden. Aber die meisten von ihnen rechnen nicht mit einem Zeitpunkt vor 2030. Die Deutsche Telekom hat noch kein konkretes Datum genannt, ebenso die ehemaligen Monopolisten in Österreich, Tschechien, Ungarn, Irland, Litauen, Lettland und Rumänien.
Am weitesten vorangeschritten mit dem Umbau ist das nicht zur EU gehörende Liechtenstein, das den voraussichtlich bis Ende 2024 vollziehen wird. Innerhalb der EU rechnen die Regulierer damit, dass Zypern, Dänemark, Spanien, Frankreich, Luxemburg, Portugal und Schweden die Migration bis 2030 schaffen werden.
Deutschland gerät zunehmend ins Hintertreffen
Als größte Hürde sieht das Gremium Schwierigkeiten darin, eine Zwangsmigration und entsprechende Proteste zu vermeiden. Längere Vorlaufszeiten nach der Ankündigung und eine effiziente Kommunikation würden sich dagegen positiv auswirken und zu mehr Akzeptanz führen. Die Regulierer halten einen angemessenen Schutz der Endnutzer bei den geplanten Vorhaben für notwendig. Der EU-Ministerrat gab auch zu bedenken, dass die Abschaltung der Kupferleitungen allenfalls schrittweise erfolgen könne.
Die Telekom-Wettbewerber fordern ihrerseits mehr Transparenz bei den Planungen bezüglich der Abschaltung der Kupfernetze. Die Telekom hat jüngst aber gewarnt, dass das einem „Zwangsanbieterwechsel“ gleichkäme.
Philipp Müller, Geschäftsführer des Breitbandverbands ANGA, der die Interessen der Kabelnetzbetreiber vertritt, hat angesichts des GEREK-Reports davor gewarnt, dass Deutschland bei schnellem Internet immer mehr ins Mittelfeld abzurutschen drohe. Andere Länder wie Frankreich, Spanien oder die Skandinavier seien Deutschland weit voraus. Die Bundesnetzagentur solle ihr angekündigtes Eckpunktepapier schnellstmöglich vorlegen, und das auch unabhängig von Neuwahlen und einem möglichen Regierungswechsel.
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