Neu verliebt in Speed
Ein Wochenende auf Sylt im Bentley Continental GT Speed zeigt, dass ein Hybrid nicht nur vernünftig, sondern auch verdammt verführerisch sein kann – in Magenta, mit Stil, Power und überraschend viel Understatement.
Aufbruch im Gentleman-Look
Freitagmorgen in Hannover. Die Sonne steht noch tief, als der neue Bentley Continental GT Speed langsam aus der Tiefgarage rollt – lackiert in einem Farbton, der irgendwo zwischen kandierter Pflaume, sonnengeküsstem Cabernet und einem frisch eingeschenkten Rosé liegt. Offiziell heißt das Ganze schlicht Magenta. Tatsächlich ist es eher ein Fashion Statement auf vier Rädern – auffälliger als ein Maßanzug in Salbei, aber mit der Aura eines britischen Gentlemans, der sich zum Dinner in florentinischen Samtslippern zeigt.
Ich sitze hinter dem Steuer, zwei Kollegen aus dem Medienteam neben mir – wir drei, entspannt auf dem Weg nach Sylt. Und ja, zugegeben: Ich war skeptisch. Jahrelang war ich treuer Verfechter des W12, ein Motor wie eine Zigarre nach einem schwerem Rotwein – warum sollte ich das gegen einen Hybrid eintauschen? Doch diese Fahrt sollte alles ändern.
Leiser Auftakt, großer Auftritt
Kaum in Bewegung, gleitet der GT Speed rein elektrisch durch Hannovers Straßen – so leise, dass sich ein Spaziergänger erschrocken umdreht, als wir fast lautlos an ihm vorbeiziehen. Der Bentley flüstert, statt zu dröhnen. Morgens in der Stadt fühlt sich das nach zivilisiertem Luxus an – man hört das Leder atmen, nicht den Motor. Die ersten 50 Kilometer Richtung Hamburg verbringen wir wie auf Watte: massierende Sitze, Naim-Sound und eine Klangkulisse wie im Spa.
Dann wechselt die Bühne. Kaum erreichen wir die A7, schaltet sich der V8 zu – nicht polternd, sondern mit einem dumpfen, warmen Grollen, das an eine wohlig gezündete Kaminexplosion erinnert. Der GT schießt los, völlig ohne Turboloch, völlig ohne Zögern. 771 PS entfalten sich mit britischer Zurückhaltung, aber deutscher Zielstrebigkeit. Ein kurzer Blick in den Rückspiegel: leer. Natürlich.
Magenta ist das neue Understatement
Schon in Hamburg zeigt sich, was dieser Bentley wirklich kann – nicht nur technisch, sondern emotional. Kinder zeigen auf ihn, ein Porschefahrer auf der Nebenspur zückt sein Handy. Eine ältere Dame bleibt mit ihrem Rad stehen, ruft ihrem Begleiter zu: „Das ist aber mal ein schicker!“
Ja, ist er. Auch – oder gerade – in Magenta.
Diese Farbe hat etwas Paradoxes: Sie ist wild, aber nicht laut. Frisch, aber nicht verspielt. Bentley nennt sie trocken Magenta, doch das wird ihr nicht gerecht. Sie changiert mit dem Licht zwischen edlem Rotgold und verwegenem Lila – wie der erste Negroni am Abend, tief und verheißungsvoll. Auf Sylt? Ein Statement. Zwischen all den monochromen Range Rover-Grausilbers dieser Welt steht dieser Bentley wie ein Gemälde in einem Konferenzraum: er hat Stil, aber er fragt nicht um Erlaubnis.
Sylt, Sonnenuntergang, Soundtrack
Als wir am frühen Abend über den Hindenburgdamm auf die Insel gleiten, steht die Sonne schon tief. Die Nordsee funkelt golden, der Bentley rollt mit gezogener Eleganz in die letzte Etappe. Und während sich der Autozug langsam in Bewegung setzt, sitzt man wie in einer Lounge auf Rädern: mit Blick aufs Wasser, Louis Vuitton-Tasche neben sich, und diesem fast spöttisch entspannten Motorgeräusch, das selbst im Standby noch Präsenz hat.
Im Gogärtchen in Kampen – Aperitif in der Hand, der Wagen in Sichtweite – beobachten wir, wie Gäste sich vor dem Auto fotografieren. Es ist ein Magnet. Und doch wirkt er nie aufdringlich. Magenta, aber mit Manieren.

Vom W12-Jünger zum Hybrid-Hedonisten
Über die Tage hinweg entdecke ich die andere Seite des GT Speed: seine Alltagsintelligenz. Der Hybridantrieb fährt morgens emissionsfrei durchs Wohngebiet, tankt an der Steckdose wie selbstverständlich nach, und schaltet bei Bedarf um – nicht spürbar, nicht dramatisch, einfach wie ein guter Butler, der ohne Worte weiß, was als Nächstes kommt.
Die rund 10 Liter Verbrauch auf 100 km wirken da fast bescheiden, die Souveränität auf der Langstrecke ist Bentley-typisch: weich, ruhig, mühelos. Man kommt an – ohne angekommen zu sein, denn eigentlich möchte man gar nicht aussteigen.
Samstag, Rückfahrt. Noch immer kitzelt das Abendlicht die Kanten des Magenta-Lacks, noch immer steht der Wagen da wie ein auf Hochglanz polierter Charakterschauspieler. Und ich? Ich bin bekehrt.
Nicht reumütig, sondern überzeugt. Ich war W12-Verfechter, ja – aber dieser GT Speed hat mich mit seiner Kombination aus Klang, Kraft, Komfort und Cleverness endgültig auf seine Seite gezogen.
Hybrid? In diesem Bentley ist das kein Kompromiss. Es ist die beste aller Welten – verpackt in Blech, Leder, Technik und eben: Magenta.
Quelle Titelbild: MBF / Jakob Bach