18.09.2023

Durchblick durch den Dschungel verschiedener Zahlensysteme und Zahlschriften

Manchmal ist es gar nicht so einfach, Zahlen zu lesen und zu verstehen, weil die englische Billion etwa der deutschen Milliarde entspricht. Und wenn dann noch Punkt und Komma vertauscht sind oder indische Zahlwörter ins Spiel kommen, braucht man vielleicht etwas Übersetzungshilfe.

Der italienische Mathematiker Fibonacci ist vielen nur für die nach ihm benannte Zahlenreihe bekannt, bei der – angefangen 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34 und 55 – jede Zahl eine Summe der beiden vorhergehenden Zahlen ist. Und das findet sich in Verwandtschaft zum Goldenen Schnitt bis hin zu Spiralgalaxien in vielen natürlichen Wachstumsphänomenen wieder. Dabei ist das eigentlich große Verdienst des auch Leonardo da Pisa genannten Fibonacci gewesen, dass er von seinen Reisen ins Mittelmeer und den indisch-arabischen Kulturraum die arabischen Zahlen mitbrachte und samt der Hunderte Jahre später nach ihm benannten Fibonacci-Reihe in seinem Liber abacci oder Liber Abaci („Rechenbuch“) von 1202 niederschrieb.

Interessanterweise sprach er dabei nicht von arabischen, sondern von „indischen“ Zahlen. Und die lassen als heute arabisch-indische Zahlen zum Teil auch schon „unsere“ Zahlen erkennen:

„Unsere“ arabischen und arabisch-indische Zahlen
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
٠ ١ ٢ ٣ ٤ ٥ ٦ ٧ ٨ ٩

Was sind „14 crore years“?

Sonst, möchte man meinen, scheint es kaum noch Berührungen mit indischen Zahlen zu geben. Weit gefehlt.  Denn 2021 tauchte im Internet und in den sozialen Medien die Nachricht über den Fossilienfund eines „14 crore years“ alten Titanosaurus beziehungsweise Riesen-Dinosauriers in Argentinien auf.  Gemeint sind 140 Millionen Jahre, die frühe Kreidezeit, die bis zum Massenaussterben der teils gigantischen Vogelvorfahren vor 66 Millionen Jahre reichte.

Bei crore oder Crore (करोड़ ) handelt es sich um ein Hindi-Zahlwort, das unserer 10 Millionen entspricht. Das wiederum sind – Indienerfahrenen vielleicht geläufiger – 100 Lakh (लाख), sprich 100 Mal 100.000. Und die würde im englischen Sprachraum 100,000 geschrieben, weil Tausender- und Dezimaltrennzeichen dort vertauscht sind.

In deutschen Wissenschafts- und Informatikkreisen macht sich auch das englische, „vertauschte“ System immer mehr breit, so dass man zum Beispiel bei BMI-Rechnern im Internet Gewicht und Körpergröße mit Punkt als Dezimaltrennzeichen eingeben muss. Dabei sagt man ja 18 Komma 5, der BMI-Wert, bei dem „Normalgewicht“ beginnt. Um Punkt und Komma in der Mathematik ist ein richtiger Streit entbrannt, der das richtige Lesen oder Interpretieren von Zahlen nicht einfacher macht, im Gegenteil.

Billion sind nicht Billion, Trillion nicht Trillion

Wie im Vorspann angedeutet, kommt erschwerend noch hinzu, dass die Angelsachsen große Zahlen wie Billionen auf der kurzen und nicht auf der langen Skala rechnen und auf die Billion bei ihnen gleich die Trillion und nicht die Milliarde folgt. Und so muss man manchmal genau hinschauen oder hinhören, um welche Zahl es sich handeln könnte. Das trifft besonders auch auf Bilanzzahlen aus Fernost zu. Denn dort gilt meist das chinesische Zahlensystem, bei dem auf Tausend (chinesisch 千, qiān in Pinyin für Mandarin, tchiän ausgesprochen) als nächst höhere Einheit nicht die Million, sondern die 萬 oder 万(wàn) geschriebene Myriade mit vier Nullen folgt und darauf die 億oder 亿 (yì) geschriebene 100 Million. Gerade bei japanischen Börsen- oder Unternehmensmeldungen muss man wegen der geringen Bewertung des Yen (1.000 ¥=6,36 €) aufpassen, ob da nicht vielleicht ein Umrechnungsfehler vorliegt.

Daher hier folgende Tabelle mit den am meisten verbreiteten Wörter für große Zahlen mit 10-hoch-Angaben:

Zahlenwert Zahlworte in Schritten (auf langer Skala) Kurze Skala Hindi Chinesisch (mit
Pinyin für Mandarin)
10¹ Zehn 十 (shí)
10² Hundert 百 (bǎi)
10³ Tausend 千 (qiān)
10⁴ 萬/万 (wàn)
10⁵ Lakh, L. 10万
10⁶ Million Million 10 Lakh 100万
10⁷ Crore, cr. 千万 (qiānwàn)
10⁸ 10 Crore 億/万(yì)
10⁹ Milliarde Billion 100.000 Crore 10亿
10¹² Billion Trillion Lakh Crore China: 万亿, Taiwan und Japan: 兆(zhào)
10¹⁴ Crore Crore
10¹⁵ Billiarde Quadrillion 10 Crore Crore 100万亿 oder 100 兆
10¹⁶ 100 Crore Crore 京 (jīng wie in Beijing)

Zum Neulernen oder Auffrischen: Römische Zahlen richtig lesen

Große chinesische Zahlen gehen auf der betreffenden deutschen Wikipedia-Seite übrigens bis 載 (Kurzzeichen 载, eigentlich „tragen“ oder „beladen“, zài ausgesprochen), eine Zahl mit 44 Nullen, auf Deutsch 100 Septillionen, auf Englisch 100 tredecillions.  M̄

Noch ein übrigens: Erst nach der Veröffentlichung von Fibonaccis Rechenbuch Liber abacci im frühen 13. Jahrhundert und mit Einführung des aus dem Orient übernommenen Abakus hat man sich in Europa davon verabschiedet, mit den eher sperrigen und unpraktischen römischen Zahlen zu rechnen. Dabei erinnern die römischen Zahlen selbst an einen Abakus, weil sich alle sieben klassischen römischen Ziffern wie Perlen auf Schnüren gespannt addieren und subtrahieren lassen.

Wer römische Zahlen nicht lesen kann oder eine Auffrischung braucht, hier sind die wichtigsten:

Römische Ziffern
0 I V X L C D M
0 1 5 10 50 100 500 1000 5k 10k 50k 100k Mio.

 

Vor historischen oder historisierend angehauchten Gebäuden ist es nicht selten eine Herausforderung die römischen Jahreszahlen zu entziffern, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei muss man eigentlich nur wissen, dass Ⅱfür 2, Ⅲ und Ⅳ für 4 und Ⅵ für 6 steht, XX folglich für 20, XL für 40 und so weiter. Auf dem Gedenkstein für Ulrich Zwingli in Zürich stehen die Jahreszahlen MCDLXXXIV und MDXXXI. Tatsächlich ist der Schweizer Reformator 1484 geboren und 1531 gestorben. Der Bau des Kölner Doms, Deutschlands weltweit wohl berühmtesten Wahrzeichens, hat sich mit Unterbrechungen in römischen Zahlen von MCCXLVIII bis MDCCCLXXX (1248 bis 1880) hingezogen, letztere zu lesen als 1000+500+300+50+30. Die heutige 2023 wäre also MMXXIII, zu lesen als 2000+20+3.

Statt M mit Überstrich kann man für die römische Ziffer Million auch Ī, M•M oder als X in einem offenen Kasten schreiben, wobei dieser im Fall von 1,2 Millionen auch die römische 2 einschließen kann: XII. M Überstrich kann aber auch für die griechische Myriade (10.000) stehen und daher missverständlich sein.

Im alten Rom gab es auch schon einen leicht abgewandelten Handabakus mit Zahlenreihen bis zur Million, mit dem man allerdings nicht dezimal, sondern wie bei den Babyloniern duodezimal mit Unzen rechnete. 12 Unzen (englisch ounce) entsprechen im noch gebräuchlichen imperialen britischen Maßsystem einem Pfund (pound), so wie 12 Zoll (inch) ein Fuß (foot, im Plural feet) sind. Im deutschen Sprachgebrauch ist das Duodezimalsystem mit der 12 als Basis noch in Form von der Zahl 12 selbst, im Dutzend und Wort Gros erhalten.

Umrechnung verschiedener Stellenwertsysteme

Da die dezimalen Ziffern nur bis 9 reichen, musste man sich bei duodezimalen wie bei hexadezimalen Zahlen mit Buchstaben oder Sonderzeichen behelfen. Im Duodezimalsystem werden 10 und 11 durch A und B, T und E (wie englisch ten und eleven) oder durch auf den Kopf gestellte zweien und dreien dargestellt. Im Hexadezimalsystem stehen die Buchstaben A bis F für die Zahlenwerte 10 bis 15.

Das Umrechnen von Hexadezimalzahlen in das Dual- oder Binärsystem (base-2) ist ganz einfach, weil vier binäre Ziffern (Bits) jeweils eine Hexadezimalziffer repräsentieren und 1111 für 2³+2²+2¹+2⁰, den dezimalen Zahlenwert 15 und die Hexadezimalzahl F steht. Dazu muss man wissen: Binäre, oktale, dezimale, duodezimale und hexadezimale sind alles Stellenwertsysteme. Und so wie wir im Dezimalsystem Einer (10⁰), Zehner (10¹) und Hunderter (10²) kennen, ist die Zahl oder Ziffernfolge 10 jeweils der Wert der Basis. Die binäre 10 ist eine dezimale 2, die oktale 10 eine dezimale 8, die hexadezimale 10 die dezimale 16. Und so erklärt sich auch, wie man zu addieren oder subtrahieren hat. 1+1 binär ist 10, F+1 hexadezimal auch 10, aber eine hexadezimale.

Die nur aus Buchstaben bestehende Hexadezimalzahl ABCDEF16 ist binär 1010 1011 1100 1101 1110 11112. Und macht man aus der Vierer- Dreiergruppen, kann man im Kopf auch sofort in oktal (base-8) umrechnen, weil oktale Ziffern nur bis 7 (111 oder 2²+2¹+2⁰) reichen. Die hexadezimale ABCDEF entspricht also der oktalen Zahl 527467578und der dezimalen Zahl 11.259.37510.

Dualsystem und MSB: Wenn aus Plus Minus wird

Zu letzterem Ergebnis kann man auf verschiedene Weise kommen. Die eine ist, den dezimalen Wert jeder Hexadezimalziffer mit dem jeweiligen Stellenwert zu multiplizieren und alles zu addieren: 10 × 16⁵ + 11  16⁴ + 12 × 16³ + 13 × 16² + 14 × 16¹ + 15 × 16⁰. Eine andere Methode, von dezimal in andere Stellenwertsysteme umzuwandeln, ist die Anwendung des sogenannten Horner-Schemas, bei dem man die erste Ziffer mit der Basis multipliziert, die nächste Ziffer hinzuzählt und alles wieder mit der Basis multipliziert, bis nichts mehr zu multiplizieren und addieren übrigbleibt:

12345678=1 × 8 + 2=10 × 8 + 3 = 83 × 8 + 4=668 × 8 + 5=5.349 × 8 + 6=42.798 × 8 + 7=342.39110

So weit so gut so einfach. Das Umrechnen von dezimalen in andere Stellenwertsysteme ist schon etwas schwieriger. Eine Methode ist das Zerlegen der Dezimalzahl in das x-fache der Potenzzahlen der Basis des jeweiligen Ziel-Stellenwertsystems: 853510 zum Beispiel lässt sich in 2 × 16³ + 1 × 16² + 5 × 16¹ + 7 × 16⁰ (8.192+256+80+7) zerlegen, wobei aus den Multiplikatoren dann die hexadezimale 215716 entsteht. Bei binären Zahlen gibt es nur 0 oder 1 als Multiplikatoren. Die dezimale 853510 ist binär also technisch gesehen 1 × 2¹³+0 × 2¹²+0 × 12¹¹+0 × 2⁹+1 × 2⁸+0 × 2⁷+1 × 2⁶+0 × 2⁵+1 × 2⁴+0 × 2³+1 × 2²+1 × 2¹+1 × 2⁰. Und wenn man alle Einsen und Nullen in Halb-Bytes oder Nibbles à vier Bits packt, ergibt das 0010 0001 0101 01112. Eine vorangehende Null kann übrigens wichtig sein, weil Computer in der Regel signed oder vorzeichenbehaftet rechnen, wo eine 1 als Most Significant Bit (MSB) am Anfang ein Minus des jeweiligen Stellenwertes ist. 11112 läse sich „signed“ also -2³ + 2² + 2¹ + 2⁰ =-8+4+2+1=-1. Aber das führt hier vielleicht zu weit.

Eine andere Umwandlungsmethode ist es, die Dezimalzahl fortlaufend durch die Zahl der Basis zu teilen, dabei nur mit ganzen Zahlen zu rechnen und sich die Restwerte zu notieren, bis bei der ganzzahligen Division eine Null herauskommt. Die jeweiligen Reste sind dann von unten nach oben oder von hinten nach vorn gelesen die Zahl des Zielstellenwertsystems, im folgenden Beispiel das Duodezimalsystem:

493 ÷ 12 = 41, R1

41 ÷ 12 =  3, R5

3 ÷ 12 = 0, R3

Die Reste aufwärts oder von hinten nach vorn gelesen ergeben die Duodezimalzahl 35112, und das wiederum ist 3 × 12²+5 × 12¹+1 × 12⁰=49310.

Kurz: Die Welt der Zahlen ist immer eine Reise wert, man muss sie nur verstehen lernen. Das ist angesichts der verschiedenen Basiswerte und Notierungen, Punkt und Komma sowie große und kleine Skala (Milliarde gleich Billion in den USA etwa), manchmal gar nicht so einfach. Dieser Artikel hat hoffentlich etwas Durchblick im Zahlendschungel verschafft.