Wasserstoff
12.09.2024

Wasserstoff ist die Hoffnung, braucht aber günstige Bedingungen

Wasserstoff ist einer der Hoffnungsträger auf dem Weg zur Klimaneutralität. Denn er eignet sich gut als Träger regenerativer Deutschland ist da führend, andere Länder bieten aber deutlich günstigeren Bedingungen für die grüne H2-Gewinnung.

Deutschland steht vor dem Problem, überschüssige Windenergie aus dem Norden in den Süden zu transportieren.  Dabei soll unter anderem Wasserstoff als Energieträger zum Einsatz kommen. Davon könnten vor allem die Industrie und der Schwerlastverkehr profitieren, weniger private Haushalte und der Individualverkehr.

 

Es gibt hier bereits einige, zum Teil vielversprechende Projekte. Dazu gehören eine in Lingen von Wirtschaftsminister Robert Habeck im August 2024 eingeweihte Pilotanlage sowie eine weitere von Siemens und der Universität Stuttgart. Dem dortigen Team ist laut SWR gelungen, Wasserstoff aus dem Biomüll eines Fruchtsaftherstellers zu gewinnen. Die Axians-Schwester Omexom hat wiederum ein anderes Projekt in Uedem im Kreis Kleve unterstützt, bei dem es gelungen ist, Diesel in Generatoren durch Wasserstoff zu ersetzen.

 

Andere Länder bieten bessere Bedingungen

Bei all den Projekten und Erfolgen in Deutschland gibt es allerdings Länder mit sehr viel günstigeren Bedingungen für die Gewinnung von grünem Wasserstoff. Dazu gehören etwa die Anrainerstaaten der Sahara . Das hatte den Club of Rome auf die Idee gebracht, Anfang 2009 die Desertec Foundation zu gründen. Federführend waren damals die Münchener Rück und andere große deutsche Unternehmen. Die Initiative ist auch noch nicht gestorben, hat aber mit Ende des Arabischen Frühlings Mitte 2012 einen mächtigen Dämpfer erfahren.

„Wo Wasserstoff am ökonomischsten produziert werden kann“ geht unter dem Titel zum Beispiel das Technik- und Wirtschaftsmagazin Produktion durch. Demnach ist Kanada sehr gut geeignet, Deutschland eher nicht.

 

„Dort existieren viele freie Flächen, die sehr windig und daher ideal zum Aufstellen von Windturbinen sind. Noch dazu gibt es viel Wasser und stabile politische Verhältnisse – zwei Kriterien, die wir jedoch in dieser Studie noch nicht näher betrachtet haben“, so Tom Terlouw, Erstautor einer in Nature Communications veröffentlichten Studie des Paul Scherrer Instituts (PSI). wonach der jährliche Wasserstoffbedarf bis 2050 auf zwischen 111 und 614 Megatonnen anwachsen wird. Produziert werden derzeit etwa 90 Megatonnen pro Jahr.

Windkraft
Für die Herstellung grünen Wasserstoffs sind große, nachhaltig produzierte Energiemengen erforderlich. Bildquelle: pexels.com / Pixabay.

Politische Stabilität und große Freiflächen entscheidend

Natürlich spiele auch die Verfügbarkeit von Wasser für die Elektrolyse und die Frage nach der Möglichkeit der Importe eine Rolle. Dahingehend bieten ihm zufolge auch die zentralen USA sowie Teile Australiens, der Sahara, Nordchinas und Nordwesteuropas gute Bedingungen, weil da entweder ausreichend Sonne oder freie Flächen für Windkraftanlagen und Wasserstofffabriken zur Verfügung stehen. Auf Deutschland treffe das weniger zu. Und auch andere dicht besiedelte Regionen wie Japan oder die Küstenabschnitte der USA sind wegen der vergleichbar deutlich höheren Produktionskosten nicht so gut geeignet.

 

„Wir haben da also eine gewisse Diskrepanz festgestellt zwischen Regionen mit hohem Bedarf an Wasserstoff und Regionen mit großen, effizienten Produktionskapazitäten“, fasst Terlouw die Ergebnisse der Studie zusammen. Um das zu kompensieren, müsste eine durch weltweiten Handel unterstützte Wasserstoffökonomie her, was allerdings sehr viel mehr Energieaufwand mit sich bringt und auch politische Kooperation erfordert.

 

Grüner Wasserstoff ist auch nicht ganz emissionsfrei

Ein großer Aufwand wird sein, den Wasserstoff in gebundener Form – als Ammoniak oder Methanol – über weite Strecken zu transportieren. Denn rein als Gas nimmt Wasserstoff viel zu viel Volumen ein und müsste stark gekühlt werden, um dieses zu reduzieren. Die möglichen Szenarien rund um Desertec sahen sogar vor, Wasserstoff in aus Wüstensand gewonnenem Lithiumhydrid zu bündeln und so nach Europa zu transportieren. 2019 lief laut Ingenieur.de schon Desertec 3.0 oder Desertec Reloaded an, wobei Power-to-X-Technologie für die Elektrolyse eine zentrale Rolle spielen sollte.

So groß die Hoffnung in Bezug auf grünen Wasserstoff ist, hat dieser auch seine Kehrseite. Und das liegt laut Terlouw unter anderem daran, „dass auch eine funktionierende Wasserstoffökonomie noch Restemissionen an Treibhausgasen produzieren wird.“ Die Studie beziffert diese auf ein CO2-Äquivalent von fast einer Gigatonne. Das liegt zum Teil auch an Lecks, wodurch schätzungsweise 2,5 Prozent des Wasserstoffs in die Atmosphäre entweicht, wo es dann indirekt als schädliches Treibhausgas wirkt.

Atmosphäre
Auch nachhaltig produzierter Wasserstoff ist keineswegs CO2-neutral. Bildquelle: Unsplash / Thomas Richter.

Außerdem kommen viele der produzierten oder benötigten Anlagen aus Ländern, die dafür noch vorwiegend fossile Energieträger einsetzen. „Die meisten Solarmodule etwa stammen heutzutage aus China, wo der Strom noch überwiegend aus Kohlekraftwerken kommt“, so Terlouw. Wer das Thema Klimaneutralität ernst meine, müsste die Restemissionen durch Filtern von Kohlendioxid aus der Atmosphäre ausgleichen – oder durch Aufforsten.

 

Weitere technische Entwicklungen notwendig

Ferner müsse auch über kritische Materialien nachgedacht werden, um Wege zu finden, das bei der PEM-Elektrolyse verwendete seltene Metall Iridium als Katalysator zu ersetzen. In wasserarmen Gebieten wie den Sahara-Anrainerländern müsste das Meerwasser vor der Elektrolyse zunächst entsalzt werden, was zusätzlich Energie und Land erfordert. „Solche Faktoren haben wir in dieser Arbeit noch nicht berücksichtigt“, räumt Co-Studienmacher Christian Bauer ein.

 

So vielversprechend Wasserstoff auch sein mag und so groß die Hoffnung in Deutschland, damit die Klimaziele zu erreichen, gibt es weit besser geeignete Länder und bräuchte es viel mehr internationale Kooperation und eine globale Wasserstoffökonomie. Leider macht sich aber weltweit wieder nationaler Egoismus breit, der solche Anstrengungen verhindert. Andererseits haben selbst manche ölproduzierende Staaten verstanden, dass fossile Energien endlich sind. So haben die Vereinigten Arabischen Emirate zwei Wochen vor der Weltklimakonferenz in Dubai Anfang August 2023 bei Abu Dhabi die weltgrößte Solaranlage eingeweiht. Wie Spiegel Wissenschaft schrieb, könnte diese mehr als zwei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen, 800.000 Autos von der Straße holen und 160.000 Haushalte mit Energie versorgen.

 

Quelle Titelbild: pexels.com / Rafael Classen rcphotostock.com