Digitale Souveränität: Tech-Branche will raus aus der US-Abhängigkeit
Viele deutsche Städte, Kommunen und Gemeinden haben aus Kostengründen bereits seit langem auf Linux und Open Source umgestellt. Der Amtswechsel im Weißen Haus könnte das noch beschleunigen, denn auch in der Digitalbranche schwindet das Vertrauen in die USA. Mehr digitale Souveränität ist gefragt.
Die Entwicklungen der großen Politik verstärken spätestens seit der US-Wahl Anfang November 2024 die Forderungen nach mehr digitaler Souveränität Deutschlands und der EU. Denn angesichts der bevorstehenden zweiten Amtszeit von US-Präsident Trump muss Europa regieren und unabhängiger von Services und Produkten amerikanischer Anbieter werden. Das betrifft vor allem den Software-Bereich.
Ähnliches fordern nun laut einer Bitkom-Umfrage auch die Tech-Unternehmen in Deutschland, die durch den Trump-Sieg viel Vertrauen in die USA verloren haben. 78 Prozent der befragten Unternehmen der Digitalbranche befürchten dadurch Schäden für die Wirtschaft.
Sorge vor wirtschaftlichen Auswirkungen überwiegt
21 Prozent der 329 befragten Tech-Unternehmen sehen ihr Vertrauen in die USA durch den Wahlsieg des Ex-Präsidenten leicht, 44 erheblich geschwächt, weitere 14 Prozent sogar als zerstört an. Sechs von zehn Befragten denken, dass sich die politischen Entwicklungen in den USA konkret auf ihr Unternehmen beziehungsweise dessen Geschäfte auswirken wird.
24 Prozent erwarten dabei sogar positive, 36 Prozent negative Auswirkungen. 92 Prozent und damit die große Mehrheit fordern, dass Deutschland sich unabhängiger von den USA machen müsse. Solche Forderungen gab es schon einmal, nach den Enthüllungen über die globale Überwachung und Spionage durch die NSA 2013.
Einige Städte und Kommunen in Deutschland strebten daraufhin noch mehr nach Open Source, auch wenn sie später vielfach wieder zurückgerudert sind. Denn es hat sich herausgestellt, dass Linux als Betriebssystem doch nicht ganz an die Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit anderer Systeme wie Microsoft Windows heranreicht. Wie heise online berichtete, hat der Bundestag Ende 2023 zudem ausgerechnet die Mittel für Open Source und digitale Souveränität um die Hälfte gekürzt.
Wo bleibt die versprochene und geforderte digitale Souveränität?
„Deutschland muss sich stärker, resilienter und chancenorientierter aufstellen. Dafür müssen wir technologisch und wirtschaftlich unabhängiger werden“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Unsere digitale Souveränität ist ausschlaggebend dafür, ob wir auf internationaler Ebene künftig noch als starker Player wahrgenommen werden und handlungsfähig sind.“
86 Prozent der befragten Digitalunternehmen fordern dem Verband zufolge auch „mehr“ europäische Hyperscaler. Der Markt der großen Hyperscaler ist aber fast ausschließlich in amerikanischer Hand. Deutschland und Europa liegen bei der Leistung der Rechenzentren weit hinter den USA und China zurück, wie eine neue Bitkom-Studie belegt.
„In den USA werden jedes Jahr zwei- bis dreimal so viele Rechenzentrumskapazitäten neu zugebaut, wie in Deutschland überhaupt installiert sind,“ betont Wintergerst.
„Wenn wir technologisch Schritt halten und unsere digitale Souveränität stärken wollen, wird dies nicht ohne eine leistungsfähige und resiliente Infrastruktur gehen.“ 80 Prozent der ITK-Unternehmen in Deutschland befürchten, dass Deutschland und Europa künftig sogar noch mehr von den USA abgehängt werden. Nur 16 Prozent rechnen damit, dass die Vereinigten Staaten unter Trump in Zukunft noch ein verlässlicher Partner für Deutschland sind.
Die aktuelle Bundesregierung hatte heise online zufolge schon im Koalitionsvertrag versprochen, sich für die Verbreitung von Open Source statt proprietärer Software einzusetzen. In Wirklichkeit würden aber „Milliarden für Software in Unternehmen“ fließen, welche „die Abhängigkeit weiter verstärken und ihre Agenden dem Staat und uns allen aufdrücken“, kritisiert Peter H. Ganten, der Vorstandvorsitzende der Open Source Business Alliance.
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