23.06.2022

Hyperautomation gegen Fachkräftemangel und für besseres Employer Branding

Wo Business Process Automation und Machine Learning zusammentreffen, entsteht Hyperautomation. Diese erledigt regelbasierte, oft repetitive Aufgaben und steigert so die Arbeitgeberattraktivität, von den möglichen Kosteneinsparungen einmal ganz abgesehen.

Von Gartner als einer der zwölf wichtigsten Technologietrends der nahen Zukunft ausgemacht, ist Hyperautomation nicht einfach nur eine neue Technologie. Sie bringt mehrere Technologien zusammen, um die Automatisierung von Geschäftsprozessen weiter voranzutreiben. Dabei kommen neben Business Process Management (BPM) auch immer mehr State-of-the-Art-Technologien wie Robotic Process Automation (RPA), Machine Learning und künstliche Intelligenz zum Einsatz, die sich zu Intelligent Process Automation (IPA) verbinden.

Warum Automatisierung oft wenig erfolgreich ist

Matthias Fink, Managing Consultant bei der Ventum Consulting und Experte auf dem Gebiet, spricht bei Hyperautomation von der nächsten Evolutionsstufe der Automatisierung. Bei der Prozessautomatisierung per Hyperautomation geht es ihm zufolge vor allem um „selbstlernende Prozesse“. Um die Anwendungsentwicklung zu vereinfachen und zu beschleunigen, setzen die Unternehmen mehr und mehr auf Low- oder No-Code-Plattformen.

Die Produktion über diese Plattformen erfolgt schneller – und so kann auch schneller eine Wertschöpfung stattfinden. Auch für Mitarbeiter*innen aus anderen Bereichen des Unternehmens bietet die Plattform eine Chance: Selbst mit wenig bis keinem IT-Know-how können sie eigene Anwendungen erstellen und zu so genannten „Citizen Developern“ werden. Durch die Wiederverwertung steigt die Entwicklungsgeschwindigkeit, wie auch das Analystenhaus IDC gemeinsam mit der ComputerWoche bestätigt.

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Durch Low oder No-Code-Anwendungen haben Unternehmen die Möglichkeit, die Mitarbeitenden zu "Citizen Developern" weiterzuentwickeln. Quelle: Adobe Stock / aa_amie

Wie Fink weiß, sind viele Unternehmen unzufrieden mit den bisherigen Erfolgen der Automatisierung. Auch eine McKinsey-Studie bestätigt das: Demnach haben nur 55 Prozent der befragten CIOs von positiven Erfahrungen mit der Automatisierung berichtet. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen gab zu, dass die Implementierung schwieriger war als erwartet.

Die Gründe sind oft, dass es an der Priorisierung der richtigen Prozesse und an dem Detailgrad in den Fachbereichen fehlt, die Automatisierung der eigenen Prozesse anzustoßen.

Darüber hinaus fehlt es oft – Stichwort Mindset – an der Bereitschaft, an den bisherigen Unternehmensprozessen zu rütteln, sowie an dem nötigen Reifegrad, der laut Fink weit über die übliche Prozessdokumentation hinausgehen muss.

Quelle: Adobe Stock / tomertu

Capability Maps und Reifegrad als wichtige Enabler

Hyperautomatisch umfasst Fink zufolge auch eine völlige Neuausrichtung der IT-Infrastrukturen hin zu Cloudumgebungen und Software-as-a-Service-Modellen, wo Systeme über wiederverwendbare Microservices miteinander kommunizieren. Damit geht auch eine Abkehr von Legacy-Lösungen einher, bei dem sogenannte Capability Maps als Enabler immer mehr an Bedeutung gewinnen. Diese Art Roadmaps oder Fähigkeitskarten beleuchten, einmal auf technischer und einmal auf organisatorischer Ebene, das gesamte Leistungsvermögen eines Unternehmens oder einer Organisation, die nötig sind, die gesteckten Ziele zu erreichen. Somit stellen diese Maps eine wichtige Basis für kontinuierliches Change-Management und die Priorisierung der iterativen Realisierung von hyperautomatisierten Prozessen dar.

„Entscheidungen, wenn auch revisionssicher nachvollziehbar, komplett oder teilweise einer Maschine zu überlassen, bedeutet eine enorme Veränderung in jeder Organisation. Diese Anpassungen auf Kunden- und Marktbedürfnisse auszurichten, ist ein zusätzlicher mentaler und organisatorischer Meilenstein, der aktiver Begleitung bedarf“, so Fink. Ventum unterstützt Unternehmen dabei, ihre Capability Maps abzustecken und, so nicht ausreichend vorhanden, zu einer Datenbasis zu kommen, auf der sich das Transformationsvorhaben Hyperautomation aufbauen lässt.

Wo Hyperautomation sinnvoll ist, wo weniger

Wie er sagt, ist Hyperautomation auch etwas, womit sich die öffentliche Hand mehr und mehr beschäftigen sollte. Denn abgesehen von den durch Corona aufgedeckten Digitalisierungslücken stehen Bund, Länder, Städte und Kommunen auch unter Druck, gemäß des Onlinezugangsgesetzes (OZG) bis Jahresende 575 Verwaltungsleistungen digital zugänglich zu machen.

Aber wie Fink weiter ausführt, lässt sich nicht alles hyperautomatisieren, wie beispielsweise sehr auf Individualität bedachte Luxusgüter oder Geschäftsprozesse mit einer zu geringen Frequentierung.

In der Produktion gerät Hyperautomation Fink zufolge jedoch oftmals an ihre Grenzen, weshalb es nachhaltiger für Unternehmen sein kann, die Automatisierung der Produktionsmaschinen nicht anzugehen.

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In der Produktion und in Verbund mit IoT-Infrastrukturen gelangt die Automatisierungstechnologie oftmals an ihre Grenzen. Quelle: Adobe Stock / Yingyaipumi

Das gilt jedoch nicht im Marketing, E-Commerce, Service und Support einschließlich Callcenter. In diesen hochfrequentierten und viel genutzten Bereichen drängt sich Hyperautomation nahezu auf. Hinzu kommen HR-Prozesse wie das Recruiting und Onboarding.

Allerdings ist, was den HR-Einsatz von KI oder englisch AI angeht, Vorsicht geboten, nachdem bekannt wurde, dass die intelligenten Algorithmen auch nicht frei von Diskriminierung sind. Forschende der amerikanischen Columbia University haben laut Springer Professional aufgedeckt, dass das mitunter an latenten Vorurteilen (Hidden Bias) in einer weiß-männlich dominierten Entwickler-Community liegt, die sich schon in die KI-Trainingsdaten eingeschlichen haben. Mit mehr Diversität in der Entwicklung und den richtigen Basisdaten könnte KI-gestützte Hyperautomation allerdings dazu beitragen, dass Aussehen, Hautfarbe und Geschlecht bei Bewerbungsgesprächen zukünftig kaum noch eine Rolle spielen.

Deep Learning wirkt AI Bias entgegen

In der Praxis empfiehlt es sich, mit einem Minimum Viable Product (MVP) zu beginnen, für den alle Stakeholder aus den Bereichen Vertrieb, Marketing, zentrale Datenverwaltung, Risikomanagement und aus der IT zunächst nur ihre wichtigsten Anforderungen formulieren, um sie in einem ersten Business Case auf ihre technische Machbarkeit zu überprüfen.

Dabei ist natürlich auch wichtig, die Anforderungsprofile an die „Wunsch“-Kund:innen zu definieren, um sie dann mittels Hyperautomation und den damit verknüpften KI-Algorithmen wie Machine Learning leichter identifizieren zu können. Deep Learning geht noch weiter und kann auch geschlechterspezifischen Verzerrungen oder Bias bei den Bestandsdaten entgegenwirken, weil die damit einhergehenden neuronalen Netze sehr vielschichtigere Beobachtungen und Entscheidungen zulassen. Wie Fink betont, erfordert das aber eine entsprechend hohe Reife der Business-Anforderungen und ein sehr tiefgehendes Verständnis aller Prozesse, Regeln und Produktspezifikationen in dem betreffenden Geschäftsmodell.

Ventum ebnet den Weg zu sinnvollen Use Cases

Viele Unternehmen und Organisationen haben zwar eine Vorstellung, was Hyperautomation ist, wissen aber nicht, wofür sie sie einsetzen können, wie sie dahingelangen und welche Technologien die besten Lösungen für die Umsetzung bieten. Manchmal fehlt es auch an den geeigneten Strategien und Regeln für den sinnvollen Einsatz von KI, Machine Learning und Deep Learning.

Ventum hat mit Consultants wie Fink das nötige Fachwissen und Erfahrungen, um mit Kunden gemeinsam ein Reifegradmodell bezüglich Businessanforderungen, Daten, IT-Architektur und Organisation zu entwickeln und so die geeigneten Schritte hin zu einem hyperautomatisierten Unternehmen zu gehen. Dazu greift Ventum auch auf eigene Toolsets mit branchenspezifischen umfangreichen Fragebögen und Benchmarks zurück. Hinzu kommen innovative Technologien wie das Process Mining, das hilft, zu einer systematischen Analyse und Auswertung der Geschäftsprozesse zu kommen, die zum Beispiel für Hyperautomation in Frage kommen.

Entgegen Ängsten, dass KI und Robotic viele Jobs hinfällig macht, sorgt sich die Wirtschaft viel mehr um den anhaltenden und aktuell wieder zunehmenden Fachkräftemangel. Und somit öffnet Hyperautomation für Unternehmen die Chance für nachhaltiges und wirtschaftliches Wachstum.

Quelle: Adobe Stock / Dmitry Kovalchuk

Unternehmen gewinnen damit auch gleichzeitig an Arbeitgeberattraktivität, so Fink. Denn die Abnahme vieler repetitiver Tätigkeiten führt nicht nur zu einer Entlastung der Beschäftigten, sondern erlaubt es ihnen auch, mehr Zeit für sinnvollere, kreative Aufgaben zu finden oder den Traum von der 3- oder 4-Tagewoche wahrzumachen. Angesichts der derzeitigen Situation im umkämpften Fachkräftemarkt halten sich viele Unternehmen mit entsprechenden Angeboten noch zurück, der Ruf danach wird jedoch lauter.

Quelle Titelbild: Adobe Stock / Blue Planet Studio