05.03.2024

Bitkom sieht immense CO2-Einsparpotenziale durch Digitalisierung

Eine neue Bitkom-Studie zeigt, dass sich durch Digitalisierung in Deutschland 73 Millionen Tonnen an CO2 einsparen ließe. Das wären rund 10 Prozent des Ausstoßes von 2022. Der größte Hebel, den Bitkom und Accenture sehen, liegt im Energie- und Gebäudesektor und der Einführung von Smart Grids.

 

Die fortschreitende Digitalisierung ist mit dem damit rasant wachsenden Datenhunger immer mehr mit schuld, kann aber auch ein wichtiger Teil der Lösung sein, um den weltweiten CO2-Ausstoß und Klimawandel aufzuhalten. Für das Ziel, bis 2045 klima- oder CO2-neutral zu werden, muss Deutschland noch mehr als bisher in den Ausbau regenerativer Energien investieren. Ihr Anteil an der Stromerzeugung ist laut Bundesnetzagentur 2023 bereits auf gute 56 Prozent gestiegen, und an Tagen mit viel Sonne und Wind versickert der daraus generierte Strom oder muss er mitunter sogar gegen Aufpreis in andere Länder abgeführt werden, nach Österreich zum Beispiel, wo viel mehr Pumpspeicherwerke zur Verfügung sind.

 

Netzintelligenz ganz wichtige Weichenstellung

Wind, Strom und Wasser sind aber unzuverlässige Gesellen, weshalb immer wieder der Ruf nach Rückkehr zu Atomstrom ertönt. Mit ausreichend Ladekapazitäten und Smart Grids für die intelligente Steuerung des Netzstroms wäre eine Rückkehr zu Atom- und Kohlekraftwerken aber gar nicht oder viel weniger nötig. E-Autos ließen sich dann als fahrende Batterien nutzen, um an Sonnentagen oder mit billigem Nachtstrom aufgeladen, um diesen zu Lastspitzenzeiten am Abend wieder ins Netz einzuspeisen.

 

Solche mit Smart Metern (intelligenten Zählern) verbundenen Smart Grids oder intelligenten Netze sind auch Teil der CO2-Einsparszenarien, die Bitkom und Accenture in der neuen Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung 2.0“ aufzeichnen, neben Windrädern, die ihre Rotoren mithilfe von Sensoren optimal an die Windstärke anpassen, sparsam bedüngten Feldern und Fabriken, die dank KI hocheffizient produzieren und dadurch Energie einsparen.

 

In der von Bitkom in Auftrag gegebenen Studie geht Accenture davon aus, dass sich der jährliche CO2-Ausstoß durch solche und andere Maßnahmen bei beschleunigter Digitalisierung bis 2030 um 73 Millionen Tonnen reduzieren lässt. Das wären wie gesagt etwa 10 Prozent des Ausstoßes von 2022, der damals bei 746 Millionen Tonnen, 2023 schätzungsweise bei 673 Millionen Tonnen lag. Bis 2030 soll er auf 438 Millionen Tonnen sinken.

 

„Die Digitalisierung kann fast ein Viertel zu Deutschlands selbstgesteckten Klimazielen im Jahr 2030 beitragen“, erklärte Bitkom-Vizepräsidentin Christina Raab bei Vorstellung der Studie. Würde die Digitalisierung nicht in dem Maße beschleunigt, sondern in dem Tempo fortgesetzt, ließen sich auch schon 50 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen, was 16 Prozent der Zielvorgaben wären. Weiter sagt sie: „Der Klimawandel wir immer stärker spürbar und seine Bewältigung dringender. Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, damit Deutschland seine Klimaziele erreicht. Mit der Digitalisierung besitzen wir einen starken Hebel, um die CO2-Emissionen deutlich zu senken und gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Je ambitionierter der Einsatz digitaler Technologien vorangetrieben wird, desto größer sind die Einsparungen.“

 

Drei verschiedene Szenarien oder Projektionen

Die Studie geht von drei Szenarien oder Projektionen aus, welche Auswirkungen digitale Lösungen in den besonders relevanten Sektoren Energie, Gebäude, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft hat: eine pessimistische hoher Emissionen im Jahr 2030, deine optimistische niedriger Emissionen, etwa durch eine 85-Prozent Deckung des Strombedarfs durch erneuerbare Energien und eine in der Mitte zwischen Pessimismus und Optimismus in der Projektion. Bei beschleunigter Digitalisierung soll der CO2-Fußabdruck der digitalen Technologien in den fünf genannten Sektoren bis 2030 gemäß der mittleren Projektion bei 3,8 Millionen Tonnen liegen, bei fortgesetztem Tempo sind es 2,1 Millionen Tonnen.

 

Die größten Einsparpotenziale sollen digitale Technologien im Energiesektor entfalten. Bei beschleunigter Digitalisierung wären es 26,4 Millionen Tonnen CO2, bei in dem bisherigen Tempo fortgesetzter Digitalisierung 24,5 Millionen Tonnen CO2. Als ausschlaggebend sieht die Studie in jedem Fall die eingangs genannten Smart Grids, die wichtig sind, um über Smart Meter und andere Sensoren gelieferte Daten in Echtzeit auszuwerten, um so Angebot und Nachfrage dynamisch auszugleichen. Große Einsparpotenziale macht die Bitkom-Studie dabei auch durch smarte Energiegewinnung aus, um die aus Erneuerbaren zuverlässiger und effizienter zu gestalten. Solaranlagen könnten die Paneele je nach Sonneneinstrahlung durch intelligente Steuersysteme und Algorithmen optimal ausrichten und neigen, Windräder wie gesagt die Winkel ihrer Rotorblätter an die Windgeschwindigkeit und Windrichtung anpassen.

 

Dämmen ist nicht alles bei Gebäuden

Im Gebäudesektor, dem zweitgrößten nach CO2-Ausstoß, erwartet die Studie durch Smart Home und intelligente Vernetzungen konservativ Einsparungen von 12,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Bei beschleunigter Digitalisierung sollen es sogar 18,3 Millionen Tonnen CO2 sein. Wie Bitkom-Vizepräsidentin Raab betont, gewinne man den Kampf für das Klima hier nicht nur mit dicker Dämmung, sondern „in erster Linie mit smarter Steuerung“.

 

In der Fertigungsindustrie sollen bis 2030 CO2-Einsparungen von bis zu 12,7 Millionen Tonnen CO2 drin sein, bei anhaltendem Digitalisierungstempo jedoch nur weniger als die Hälfte, nämlich 5,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Dabei mache die Digitalisierung die Industrie nicht nur klimafreundlicher, sondern auch schneller und leistungsfähiger, wie Raab sagt.

 

Die CO2-Einsparungen im Verkehrssektor sollen bei 3,5 bis 9,3 Millionen Tonnen CO2 liegen, wobei Bitkom und Accenture die Potenziale in einem digitalen Verkehrsnetz und einer digitalen Verkehrsoptimierung sehen. Durch intelligente Verkehrsleitsysteme und die verstärkte Förderung der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ließen sich allen bis zu 5,5 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

 

Nachhaltigkeit zahlt sich besonders auch für Unternehmen aus

In der Landwirtschaft rechnet Bitkom mit um 3,5 bis 6 Millionen Tonnen CO2 reduzierten Emissionen, wenn zum Beispiel an Düngemittel gespart wird, das oft nicht die Pflanzen auf dem Feld erreicht, sondern auf unbepflanzten Stelle oder gar Straßen landet. Ein großer Posten ist in dem Sektor die Nutztierhaltung, die sich durch Digitalisierung deutlich effizienter gestaltet und überwacht werden könnte, um so auch die Methanemissionen reduzieren zu können.

 

Raab sieht bei den nötigen Anstrengungen auch die Unternehmen gefordert, ihren Beitrag zu leisten. „Das zahlt nicht nur auf die Nachhaltigkeit ein, sondern macht die Unternehmen auch zunftsfähig“, so die Bitkom-Vizepräsidentin. Wichtig ist aus Sicht ihres Verbandes auch, die Bereitstellung von Green Data zu beschleunigen, die zu Umweltinnovationen und Entwicklung nachhaltiger neuer Geschäftsmodellen beitragen könnten. Deutschland hat ihr zufolge seit 1990 schon viel erreicht und die Emissionen um mehr als 40 Prozent gesenkt, obwohl das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in dem Zeitraum um 197 Prozent gewachsen sei. Schließlich sagt sie: „Jetzt geht es um die Twin-Transition: einen nachhaltigen Strukturwandel, der Klimaschutz und Digitalisierung intelligent verbindet.“

Quelle Titelbild: Adobe Stock /Jawed Gfx