Smart Cities sind attraktiver
18.03.2024

Smart City ist keine Frage der Größe

Es gibt nicht nur einen Smart City Index. Im deutschen Städtevergleich von Bitkom hat München den langjährigen Spitzenreiter Hamburg 2023 überholt. Weltweit sind laut dem Schweizer IMD Smart City Report immer noch Zürich und Oslo vorn, was zeigt, dass nicht die Größe entscheidet.

Kein Ranking ist frei einer Voreingenommenheit oder einseitigen Wahrnehmung, englisch kurz Bias genannt. So hat der in München ansässige ADAC 2010 der bayerischen Landeshauptstadt bescheinigt, das beste öffentliche Nahverkehrsnetz in ganz Europa zu haben, was schon der geringen Taktzahl der U- und S-Bahnen bis heute nicht stimmen kann.

 

Dass Zürich im IMD Smart City Index 2023 wieder auf dem ersten Platz landete und Lausanne auf Platz 5, könnte man auch unter der Rubrik Bias verbuchen. Denn das private International Institute for Management Development (IMD) hat seinen Sitz in Lausanne. Das dazugehörige IMD World Competitiveness Center (WCC) hat aber Gewicht, so auch der von ihm fast jährlich herausgegebene Smart City Index.

 

London von Platz 3 auf Platz 6 abgerutscht

In dem IMD Ranking für 2023 ist Hamburg als einzige deutsche Stadt unter den Top 19 auf Platz 11, München erst auf Platz 20, beide mit Tendenz nach unten, so kam die Elbmetropole 2021 im IMD Ranking noch auf Platz 8. Insgesamt scheint der neue Index zu reflektieren, dass auch außerhalb Europas und der USA sehr viele Fortschritte zu verzeichnen sind. So hat Honkong ich von Platz 33 auf Platz 19 verbessert, London von Platz drei um drei Stellen verschlechtert.

 

In dem von Bitkom im Herbst 2023 herausgegebenen deutschen Smart City Index ist München, wenn auch nur knapp, erstmals an Hamburg vorbeigezogen. Allerdings gelten bei beiden Indices zum Teil unterschiedliche Messlatten. So berücksichtigt der vom IMD unter anderem auch die Chance, für 30 Prozent des Monatseinkommens eine Wohnstätte finden.

IMD Smart City Index 2023

Stadt Rang 2023 Rang 2021
Zürich 1 1
Oslo 2 2
Canberra 3
Kopenhagen 4 5
Lausanne 5 4
London 6 3
Singapur 7 7
Helsinki 8 9
Genf 9 6
Stockholm 10 11
Hamburg 11 8
Beijing 12 17
Abu Dhabi 13 12
Prag 14 10
Amsterdam 15 13
Seoul 16 18
Dubai 17 14
Sydney 18 29
Hongkong 19 33

 

München und Hamburg schneiden beim Wohnen mit jeweils rund 20 Punkten vergleichsweise schlecht ab, das für Normalverdiener kaum zu bezahlende London steht mit 15,5 Scores in dem Punkt wie erwartet schlechter da, noch schlechter bei den Verkehrsstaus mit rund 20 gegenüber 28 Punkten in München. Während der Münchener oder Hamburger Verkehr in der Rushhour allemal als zähflüssig zu bezeichnen ist, bewegt sich in London morgens und abends trotz teurer Innenstadt-Maut so gut wie gar nichts mehr. Dennoch hatte sich die britische Hauptstadt im IMD Ranking noch Platz 3 und 2023 Platz 6 gesichert, hinter Zürich und Oslo, die mit rund 427.000 und 717.000 Einwohnern selbst im europäischen Vergleich nur unter ferner liefen sind.

 

Wie die IMD-Sieger zeigen, kann man aber Fug und Recht sagen, dass Smart City unabhängig von der Größe ist, obwohl London so wie Tokio und Singapur etwa mit ihren Mautsystemen in den 1990er Jahren schon früh begonnen haben, den Verkehrsstrom einzudämmen. Dass Smart City keine Größe kennt, zeigt sich auch im deutschen Städtevergleich des Digitalverbands Bitkom, die meisten davon im internationalen Vergleich doch keine Groß-, sondern eher Kleinstädte.

 

Energie- und Umweltsieger sind die Kleineren

 

Der jedes Jahr veröffentlichte Smart City Index von Bitkom hat schon Tradition. Dieser vergleicht jeweils, wie weit die 81 Großstädte Deutschlands insgesamt und in den fünf Kategorien Verwaltung, Energie und Umwelt, IT und Kommunikation, Mobilität, Gesellschaft und Bildung digital vorangekommen sind.

 

München auf Platz 1 taucht in dem im Herbst 2023 veröffentlichen Smart City Index als Stadt und als „Bulk Cloned“ zweimal, aber jeweils mit denselben Daten auf.  In der Gesamtwertung mit 84,5 Indexpunkten und in Sachen der Verwaltung sowie der IT und Kommunikation hat sich die Isarmetropole an Hamburg vorbei jeweils Platz 1 gesichert, bei der Mobilität aber um 7 Plätze auf Platz 11 verloren, bei Energie und Umwelt sogar um 23 Plätze auf Platz 35.

 

Hamburg hat mit nur noch 83,9 Indexpunkten leicht verloren, liegt aber in der Gesamtwertung im Smart City Index von Bitkom nur knapp hinter dem neuen Spitzenreiter München. Federn verloren hat die Hansestadt vor allem bei Energie und Umwelt mit nur noch Platz 33 gegenüber Platz 20 im Vorjahr. Köln ist mit 83,2 Indexpunkten auch nicht weit entfernt, konnte aber bei Energie- und Umwelt von Platz 32 auf Platz 24 zulegen, bei der Verwaltung von Rang 14 auf Platz 4 und bei Gesellschaft und Bildung sogar um sechs Plätze auf Platz 8.

 

Nürnberg und Aachen haben sich auf den Plätzen 4 und 5 jeweils um zwei verbessert. Bei Energie und Umwelt ist Nürnberg von Platz 25 auf Platz 22 aufgerückt, bei IT und Kommunikation reichte es aber nur noch für Platz 54 nach Platz 33 im Vorjahr. Bei Gesellschaft und Bildung hat sich die Frankenmetropole dagegen um 4 Stellen auf Platz 15 verbessert. Aachen hat in dem Bereich von Platz 22 auf Platz 15 auch Boden gut gemacht, ebenso bei IT und Kommunikation; in puncto Energie und Umwelt ist die ehemalige Kaiserstadt aber um 8 Plätze auf Platz 8 abgerutscht ist, bei der Verwaltung sogar um 10 auf nur noch Platz 22.

 

Die größten Verlierer unter den ersten zehn deutschen Großstädte  sind Dresden mit minus 3 auf nur noch Platz 6 und Stuttgart mit ebenfalls minus 3 auf Platz 8. Dresden hat vor allem bei Energie und Umwelt (minus 18 auf Platz 32) sowie bei IT und Kommunikation (minus 22 auf Platz 30) nachgelassen, ist dafür bei Mobilität aber um drei Reihen auf Platz 3 aufgerückt. Stuttgart hat mit der Talkessellage von Hause aus keine guten Karten bei Mobilität, konnte sich in diesem Punkt mit Platz 17 gegenüber 26 aber noch recht gut halten. Am meisten verloren hat die Schwabenmetropole in Sachen Verwaltung, wo es nur noch für Platz 40 gegenüber 7 im Vorjahr reichte. Bei Energie um Umwelt ist Stuttgart auf Platz 11 abgerutscht, bei IT und Kommunikation hat sie sich aber um 11 Reihen auf Platz 6 vorgekämpft, bei Gesellschaft und Bildung um 9 auf Platz 21.

 

Freiburg holt sich keinen grünen Blumentopf

Die größten Gewinner unter den Top 10 in der Gesamtwertung sind Osnabrück mit plus 8 auf Platz 7 und Ulm mit plus 7 auf Platz 9. Karlsruhe kann sich mit plus 4 auf Platz 10 auch sehen lassen, ebenso Heidelberg, das sich um 16 Reihen auf Platz 12 verbessert hat und Regensburg, das sich um 17 Plätze auf Platz 17 verbessert hat. Zurück zu Osnabrück: Den größten Zugewinn verdankt die Stadt Anstrengungen im Bereich Energie und Umwelt, denn da hat sie sich um ganze 29 Plätze auf Platz 4 deutlich verbessert, während Ulm sich da auf Platz 5 verschlechtert hat, dafür aber in den meisten anderen Bereichen um 3 oder 4 Plätze aufgerückt ist, bei der Verwaltung sogar um 11 Plätze auf Platz 24.

 

Schaut man sich die ersten 10 in den einzelnen Kategorien an, tauchen Städte auf, die sonst nicht unter den Top 10 sind:

 

Trier, Paderborn, Wolfsburg, Osnabrück, Ulm und Münster sind zum Beispiel in puncto Energie und Umwelt im Bitkom-Ranking vorn, Köln und Kiel folgen München bei IT und Kommunikation. In der Verwaltung kommen nach München, Nürnberg, Düsseldorf und Köln die Städte Regensburg, Bochum und Augsburg.

 

Das als besonders grün geltende Freiburg im Breisgau ist bei Umwelt nicht unter den Top 10, hat sich aber bei IT und Kommunikation den 9. Platz gesichert. Berlin taucht unter den ersten zehn nur bei Mobilität auf und belegt dort Platz 4, gefolgt von Aachen und Frankfurt am Main. Bei Gesellschaft und Bildung schneiden auch Darmstadt und Heidelberg gut ab, bei Mobilität Bonn und Potsdam mit den Plätzen 7 und 9.

 

Fazit und Meinung: Wenn bedenkt, dass Energie und Umwelt in der Regierung und bei vielen jungen Menschen vor allem ganz oben angesiedelt ist, ist es schon verwunderlich, wie sehr manche Großstädte in diesem Punkt nachgelassen haben, wenn man Bitkoms Smart City Index für 2023 glauben will. Was man bei dem von Bitkom vermisst, ist der Bereich bezahlbares Wohnen, wie ihn das IMD als Punkt aufgenommen hat, auch wenn dessen Index die unteren Einkommen auch nicht wirklich zu berücksichtigen scheint.

 

In beiden Indizes haben kleine Städte insgesamt und in einzelnen Disziplinen mitunter besser abgeschnitten als die großen. Das hat natürlich Gründe, aber wenn es um Verkehrsinfrastruktur und öffentliche Nahverkehrsnetze geht, wäre es vielleicht interessant zu bewerten, wie weit diese auch in die ländlichen Regionen reichen, um die Menschen dort besser anbinden zu können.

 

Quelle Titelbild: Adobe Stock