26.07.2023

KI: Zwischen Kreativität, Kunst und Kriminalität

Die dunkle Seite der „künstlichen“ Kreativität. Wie Kriminelle KI nutzen und was die Technologie für die Kunst bedeutet

Künstliche Intelligenz ist heute in der Lage, realistische Bilder, überzeugende Texte und sogar Musik zu erschaffen. KI beeinflusst damit Kreativität und Kunst – eröffnet aber auch neue Möglichkeiten für Kriminelle.

Die Kritik war groß: Im Juni 2023 veröffentlichte Marvel mit Secret Invasion seinen nächsten Serien-Hit. Der Clou dabei ist das KI-generierte Intro. Direkt nach Erscheinen der ersten Folge wurden Stimmen laut, die befürchteten, Marvel würde damit den ersten Schritt in Richtung komplett mittels KI erstellter Inhalte gehen – und Schauspieler, Regisseure sowie Designer damit ersetzen wollen. Aus Marketing-Sicht war das Vorgehen auf jeden Fall ein großer Erfolg, schließlich griffen diverse Medien in aller Welt die Story auf.

Die Bedeutung von KI-erzeugten kreativen Inhalten wird zukünftig in jedem Fall weiter zunehmen, jenseits von Fernsehserien und Co. Programme wie Midjourney oder Dall-E erstellen in kürzester Zeit Grafiken und realistische Bilder, Chat-GPT liefert im Handumdrehen die dazugehörigen Texte. Längst lassen sich auch Musikstücke via KI generieren. Betrüger haben daraus ein lukratives und illegales Geschäftsmodell entwickelt.

Künstliche Lieder, künstliche Hörer, echte Abzocke

Die Masche ist dabei denkbar einfach: Mithilfe von Programmen wie Boomy werden massenweise Lieder generiert und anschließend auf Streaming-Plattformen wie Spotify oder Apple Music veröffentlicht. KI-gesteuerte Profile streamen diese anschließend millionenfach oder laden sie herunter, die Betrüger kassieren die von den Plattformen ausgezahlten Lizenzgebühren. Zwischenzeitlich sperrte Spotify sogar den Zugang zu Boomy, das US-Startup löschte daraufhin zigtausende Lieder, bis zu sieben Prozent aller hier erstellten Stücke! Expert:innen gehen sogar davon aus, dass bis zu drei Prozent aller weltweit gestreamten Songs KI-generiert und damit gefälscht sein könnten.

KI vs. Kreativität?

Dieses krasse Beispiel wirft die Frage auf, ob KI nun das Ende für jede Kreativität bedeutet, wenn jeder mit wenigen Klicks Kunst erzeugen kann, oder ihr sogar förderlich ist. Tatsächlich zeigen erste Untersuchungen, dass KI sehr erfolgreich darin ist, kleinere Herausforderungen und Alltags-Probleme zu lösen. Diese als Little-C bezeichnete Form der Kreativität unterscheidet sich von der Fähigkeit, etwas gänzlich Neues zu erschaffen (Big-C). In Kreativitätstests schnitten KI-Programme dabei vergleichbar gut ab wie eine menschliche Vergleichsgruppe. Mit einem Unterschied: Etwa 10 Prozent der Testpersonen waren deutlich kreativer als jede KI. Echtes künstlerisches Talent ist ihr damit aktuell noch überlegen.

Kunst in Zeiten neuer Technologien

Interessanterweise gab es eine ähnliche Diskussion wie derzeit schon einmal in der Geschichte der Kunst. Mit dem Aufkommen der Fotografie Mitte des 19. Jahrhunderts gab es Befürchtungen, dass damit die Malerei obsolet würde. Wer sollte sich schließlich noch handgemalte Landschaftsbilder oder Stillleben ansehen, wenn es auch die Realität direkt abbildende Fotografien gibt? Das Ergebnis dieser Entwicklung kennen wir. Malerei gibt es bis heute. Sie hat sich verändert, ist in andere Sphären vorgestoßen, die durch Fotos nicht abgebildet werden können, wie der Surrealismus oder abstrakte Bildformen der vergangenen Jahrzehnte zeigen. Gleichzeitig ist die Fotografie selbst zur Kunstform geworden, die ironischerweise jetzt durch KI scheinbar bedroht wird.

Letztendlich ist eine ähnliche Entwicklung zu erwarten. KI kann Kunst nicht ersetzen, aber sie wird sie beeinflussen. Und auch heute gibt es bereits Kunstschaffende, die mit KI arbeiten, Bilder erstellen und Lieder komponieren. Jenseits von kriminellen Hintergedanken.