Apple Vision Pro – Top oder Flop?
Diese Frage stellen sich angesichts einer an eine Skibrille erinnernde neue Datenbrille für 3.500 Dollar derzeit viele. Diese kann zwar von Virtual zu Augmented switchen, hat aber nicht den Charme der Google Glasses in Form einer echten Brille. Eine Art Kommentar.
So manche Unternehmen haben sich schon daran versucht, eine Datenbrille zu entwickeln und marktfähig zu machen, Epson zum Beispiel mit der Moverio. Die Einsatzszenarien bei Vorstellung der halbdurchlässigen Brille reichten bis hin zu Fern- OPs und -Diagnose. Wie Deutschlandchef Henning Ohlsson bei einem Presse-Event in München Anfang 2023 einräumte, verkauft die sich aber nicht so gut wie erwartet, weshalb die Moverio etwas aus dem Fokus gerückt ist.
Acht Jahre und mehr Entwicklungsarbeit
Eine ähnliche Datenbrille, auch Smartglass genannt, hatte eine VW-Ausgründung namens Metaio vorgestellt, die übrigens unter anderem auch Technologielieferant für Epson war. Das Münchener Unternehmen wurde 2011 von Reuters zusammen mit ST-Ericsson als „World-Wide Leader in Augmented Reality“ gepriesen, dann aber nach einem kurzen Hype 2015 von Apple als Entwicklungskern einer eigenen AR-Brille gekauft.
Seitdem sind acht Jahre vergangen, bevor Apple-Chef Tim Cook die Datenbrille Mitte 2023 als „one more thing“ präsentierte, wie der Spiegel es nannte. Und für das Magazin ist wie für manche andere Beobachter:in klar, dass von der Apple Vision Pro (siehe Video) – nomen est omen – auch abhängen könnte, wie Cook, der 2025 mit dann 65 möglicherweise in Rente geht, in Zukunft bewertet wird: als Optimierer, der aus dem iPhone „den letzten Dollar“ herausholte oder als „mutiger Visionär“, der einst in einer Reihe mit seinem Vorgänger Steve Jobs stehen könnte.
VR oder AR? Die Vision Pro kann beides
Der 2013 aus Sicht von Expert:innen und der Fachpresse damals vielversprechendste Ansatz in dieser Richtung kam von Google mit der immer wieder, zuletzt als Enterprise Edition, auf Eis gelegten Google Glass. Die sah tatsächlich aus wie eine echte Brille und sollte die Realität, wie ein Head-up Display in Autos der Oberklasse, nur ergänzen soll. Dies verbirgt sich hinter dem Begriff Augmented Reality (AR) im Gegensatz zu Virtual Reality (VR), bei dem Umgebung völlig hinter der Brille verschwindet und der- oder diejenige, die sie trägt, komplett eintaucht in eine digitalisierte Umgebung.
Eine Besonderheit der Apple Vision Pro ist, dass sie sich nicht nur auf diese völlige Immersion (Eintauchen) als VR-Brille versteht, sondern auch auf Augmented Reality aus dem geistigen Erbe von Metaio aus München. Was die Vision Pro aber auch von anderen VR- oder AR-Brillen abhebt, ist die Tatsache, dass sie wie eine Mischung aus KI und tragbaren Computer fungiert, der auf Eingabe und Steuerung mit Augenkontakt, Stimmen und Gesten reagiert. Dazu ist die Datenbrille von Apple mit zwölf Kameras, sechs Mikrofonen und fünf anderen Sensoren bestückt, welche die Spracheingaben sowie die Signale der Hände, Füße und Augen in digitale Kommandos übersetzt.
Die alles entscheidende Kosten-Nutzenfrage
Das Ganze hat natürlich seinen Preis: 3.500 Dollar soll das Gerät kosten. Das ist das Sechsfache dessen, was die Facebook-Mutter Meta für die VR-Brille Quest 3 aufruft, die im Herbst 2023 für 570 Dollar auf den Markt kommen soll. Die Zuckerberg-Company hat sich beeilt, mit ihrer Ankündigung Apple zuvorzukommen. Allerdings ist die Quest wohl eher ein Gimmick für viele sogenannte „Early Birds“. Denn von den 20 Millionen bisher verkauften Brillen soll nur jede Dritte tatsächlich genutzt werden.
Der Nutzen beziehungsweise das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist immer entscheidend für den Erfolg eines Produkte, besonders, wenn der Preis so hoch angesetzt ist, wie bei der Apple Vision Pro. Der Analyst Dan Ives von der Investmentfirma Wedbush rechnet laut Spiegel im ersten Jahr mit 150.000 verkauften Exemplaren, 2024 sollen es schon eine Million sein.
Das Video-Standbild oben zeigt den Einsatz in einer Art Kontrollzentrum mit Stadtplan. Das erinnert an einen der vielen Anwendungsbereiche, die die Google 2013 für seine Smartglass vorgestellt hat. Auch da sieht man einen Biker, der sich den Berg hinaufbemüht und in der AR-Brille die Route angezeigt bekommt.
Dass jüngst die Enterprise Edition von Googles Smartglass das Zeitliche segnete, lässt vermuten, dass es auch mit den viel beworbenen B2B-Anwendungen nicht weit her ist. Denn natürlich wäre es großartig, wenn Monteure am Strommast oder Logistikpersonal im Warenlager von der Brille geleitet werden. Dafür ist die Brille von Apple aber viel zu klobig; davon abgesehen, dass manche Journalisten der eingeladenen Fachpresse bei Vorstellung der Vision Pro Schwindel und Übelkeit ereilte. Expert:innen sagen tatsächlich, dass ein längeres Arbeiten mit einer Datenbrille schon deswegen nur in Einzel- oder Ausnahmefällen möglich ist. Hinzu kommt, dass die Vision Pro mit maximal zwei Stunden auch eine begrenzte Akkulaufzeit hat.
Ein Hoffnungsträger liegt sicherlich in der Gamer-Szene, wo manche ihr letztes Hemd für neue Gadgets ausgeben, ein anderer in der eingeschworenen Apple-Fangemeinde, die jeden Preis für neue iPhones und Co. bezahlen. Die 4K-Fähigkeit kommt ihnen dabei sicherlich entgegen. Ob es das wert ist, dreieinhalb tausend Dollar (rund 3.100 EUR) hinzulegen, muss jeder für sich entscheiden beziehungsweise wird sich erst zeigen, wenn mehr Erfahrungsberichte eintrudeln. Ansonsten wird Apple gut daran tun, für die B2C- und B2B-Anwendungsentwicklung auf Dritte zu vertrauen und die Brille in abgespeckter Form massenmarkttauglicher zu machen.