An diesen digitalen Trends kommt 2024 kein C-Level vorbei
Die meisten deutschen IT- und Unternehmens-Verantwortliche haben in der Coronakrise digital aufgerüstet und auch gelernt, welche große Chancen neue Technologien wie künstliche Intelligenz bringen. Aber nun ist es auch an der Zeit, diese in vernünftige Bahnen zu lenken und wirklich nutzbar zu machen. Das ist eins von fünf digitalen Trendthemen, die Unternehmen 2024 interessieren werden.
2023 begann mit einem großen Knall. Denn da hat mit ChatGPT von „Musk-Zögling“ OpenAI erstmals eine KI für alle sichtbar so gute Ergebnisse geliefert, dass man damit arbeiten kann. Aber 2024 erst werden viele Unternehmen anfangen, diese generativen KI-Modelle wirklich sinnvoll einzusetzen. KI und vor allem GenAI bleibt also Trendthema Nr. 1:
Trend 1: GenAI wird nutzbar, erfordert aber auch Regeln
Das US-Marktforschungsunternehmen Gartner hat zehn IT-Trends für 2024 ausgemacht, vier davon allein im Zusammenhang mit KI: Das eine ist das ist AI TRiSM, die Abkürzung für Artificial Intelligence Trust Risk und Security Management als Basis für eine verantwortungsvolle Nutzung der KI, gefolgt von der KI-gestützten Softwareentwicklung und intelligenten Anwendungen, die selbst lernen und sich anpassen können.
Schließlich erlebt Gartner eine Demokratisierung generativer KI, weil diese mit viel weniger Einstiegshürden verbunden ist und so auch kleineren Unternehmen und Privatpersonen viel Raum für Kreativität gibt. Die Analysten gehen davon aus, dass GenAI bis 2026 etwa 70 Prozent des Design- und Entwicklungsaufwands für Webanwendungen und mobile Apps bestimmen und grundlegend verändern wird.
Man kann ChatGPT heute schon auftragen, einen einfachen Programmcode in Python oder einen recht brauchbaren Marketing-Text zu erstellen. Das wird, ob in der Customer Experience oder der Business Intelligence, Vieles beschleunigen und verbessern sowie die digitale Transformation vorantreiben. Dass die EU aber daran arbeitet, KI zu regulieren, kommt nicht von ungefähr und ist keine „Regelmanie“, wie manche unterstellen. Denn es gibt berechtigte Sorgen des Missbrauchs von KI, und selbst Programmierer müssen fürchten, darüber ihren Job zu verlieren, wie eine OpenAI-Studie von März 2023 zeigt. Dabei war oder ist die Einführung von KI sehr oft dem Fachkräftemangel geschuldet.
Viele Unternehmen fangen jetzt erst an, diese wirklich einzusetzen. Aber damit wird aber auch die Diskussion um eine Besteuerung der Maschinen und weniger Arbeit für gleichen Lohn weiter an Fahrt aufnehmen. Microsoft-Gründer Bill Gates gehört sogar zu den Befürwortern eines bedingungslosen Grundeinkommens, wenn Roboter immer mehr Jobs übernehmen. Sein Unternehmen will in Deutschland über drei Milliarden Dollar investieren und einen Großteil davon in die Entwicklung von KI stecken, SAP begründet Stellenstreichungen (8.000 weltweit) ebenfalls mit der Notwendigkeit, mehr in KI zu investieren.
Trend 2: Sustainability für eine grüne Zukunft
Was um die Jahrtausendwende mit Green IT begonnen hat, gewinnt in den Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Die Rede ist von Nachhaltigkeit und dem Einsatz grüner Technologien. Denn das tut nicht nur dem eigenen Image, ESG- oder CSR-Ranking gut, sondern eröffnet auch viele neue Geschäfts- und bessere Umsatzchancen, weil auch das Marktfeld immer umweltbewusster wird. Konsequente Digitalisierung weg vom hohen Papierverbrauch kann helfen, den eigenen CO2-Fußabdruck zu verringern und Kosten zu sparen. Im Großen, sprich in den Rechenzentren, ist diese Kostenersparnis entsprechend höher und fällt durch stromsparendere Geräte auch sehr viel weniger Abwärme an. Die großen Betreiber arbeiten alle daran, mit regenerativen Energien und anderen modernen Technologien bis 2030 CO2-neutral zu werden. Smartphone Apps und IoT-Anwendungen tragen mit ihrem Datenhunger zwar dazu bei, dass der digitale Fußabdruck immer größer wird, sind aber auch zunehmend die Lösung, das Klima zu retten. Man denke nur an Verkehrsleitsysteme und an die Möglichkeiten intelligenter Energiesteuerung, die in Form von Smart Grids und Smart Meter nötig ist, um die Energiewende zu schaffen.
Trend 3: Stärken des Digitalen Immunsystems durch CTEM
Generative KI macht es Cyberkriminellen noch leichter, Computer und Firmennetzwerke zu kapern. Ransomware bleibt eine der größten Bedrohungen für Unternehmen. Und Cyberkriminelle haben auch schon Ransomware-as-a-Service (RaaS) oder den „Doppelbeschuss“ mit Erpressersoftware für sich entdeckt. Entsprechend wichtig wird es, ein digitales Immunsystem zu schaffen. Continuous Threat Exposure Management (CTEM) gewinnt dabei an Bedeutung, zumal in der EU mit der DSGVO auch der Datenschutz sehr viel mehr Gewicht bekommen hat. CTEM und andere Ansätze helfen, schneller und effizienter auf Cyberbedrohungen zu reagieren und Unternehmen resilienter zu machen.
Mit IT-Security-Lösungen wie Firewalls allein ist es dabei aber nicht getan. Viele Sicherheitsvorfälle sind auf den Faktor Mensch und den allzu leichtfertigen Umgang mit E-Mails, scheinbar verlockenden Angeboten aus dem Internet oder offen herumliegende Zugangsdaten zurückzuführen. IT-Sicherheitsverantwortliche sollten daher an Schulungen nicht sparen, um das Bewusstsein in der Belegschaft zu schärfen. Was die Infrastrukturen angeht, herrscht in vielen Unternehmen noch der Glaube vor, dass sie mit dem On-premises-Betrieb (mit eigenen Bordmitteln) sicherer sind und die Cloud ein großes Einfallstor für Angriffe auf die eigenen Daten ist. Oft ist aber das Gegenteil der Fall und erweist es sich als sicherer, das Hosting der Daten auszulagern, wobei Managed Services eine immer wichtigere Rolle spielen. Das führt zum nächsten Thema:
Trend 4: Cloud Computing wird noch wichtiger
Auch wenn KI und die IT-Security 2023 stark in den Vordergrund getreten sind, bleibt die Verlagerung der Daten und der IT-Infrastruktur 2024 eigentlich das Top-Thema schlechthin. Und wie eben schon erwähnt, hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass die Daten in der Cloud mindestens so sicher sind wie in den privaten Rechenzentren.
Immer mehr Unternehmen vertrauen dabei auf Cloud Services als Managed Services durch einen entsprechend gut aufgestellten Dienstleister. Abhängig von Größe und Inhouse-Wissen des Unternehmens bieten sich verschiedene Cloud- Service-Modelle an, wobei Software- Infrastructure- und Platform-as-a-Service (SaaS, IaaS und PaaS) längst nicht mehr die einzigen sind.
In Hackerkreisen sehr beliebt ist heute schon Ransomware-as-a-Service (RaaS, siehe oben). Aber zurück zu den offiziell angebotenen, sicheren Cloud-Service-Modellen. Für unternehmenskritische, sensible Daten bietet sich die Private Cloud an, viele Unternehmen lassen sich die Entscheidung aber auch offen und setzen auf eine Hybrid Cloud, welche die Vorteile zweier Welten, on-premises und das Hosting in der Cloud, verbinden. Die großen Hyperscaler wie Microsoft Azure und Amazon Web Services (AWS) sind interessiert daran, B2B-Kunden möglichst in ihre Public Cloud zu ziehen, bieten aber auch Hybrid-Lösungen an, weil viele Unternehmen Sorge haben, dass ihre Daten in der Public Cloud nicht sicher vor dem Zugriff von US-Behörden wie der NSA sind. Nachdem der österreichische Anwalt und Datenschützer Max Schrems schon zwei transatlantische Übereinkommen zu Fall gebracht hat und nach dem „Schrems-II-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) arbeiten beide Seiten fieberhaft an einem neuen EU-US Data Privacy Framework, um auf ein vergleichsweises Datenschutzniveau zu kommen und in der EU gehaltene Daten vor Fremdzugriff zu schützen.
Wie die Erfahrungen aus Coronazeiten gezeigt haben, lohnt die Einrichtung einer privaten, hybriden oder Public Cloud schon ab zwei Rechnern. Denn die Mitarbeitenden haben so die Möglichkeit, vom Homeoffice oder unterwegs „remote“ zusammenzuarbeiten, was auch dem Trendthema Sustainability entgegenkommt, weil so sehr viele Autofahrten oder Flüge wegfallen. Gartner spricht m Zusammenhang mit der Cloud und Remote Work, oft auch als New Work bezeichnet, von „technologieunterstützter vernetzter Belegschaft“ und erwartet, dass der Trend sich 2024 fortsetzen wird.
Viele Unternehmen sind zwar etwas davon abgekommen, ihre Mitarbeitenden ganz im Homeoffice zu belassen, fahren aber hier einen Hybridansatz mit rotierender Büroanwesenheit. Unterm Strich bleibt, dass weniger Bürofläche nötig ist, was sich auch schon spürbar bei den Mieten und Preisen für Gewerbeimmobilien niederschlägt. Die Umwelt profitiert davon. 2020 waren in Oberbayern nicht zuletzt dank Cloud Computing erstmals seit Jahrzehnten wieder Maikäfer zu sehen.
Trend 5: Digitale Zwillinge
Trend 4: Der Digitale Zwilling
Deutsche Großstädte wie München und Köln arbeiten daran, ein digitales 3D-Abbild der städtischen Infrastrukturen zu schaffen. Der Urbane Digitale Zwilling (UDZ) umfasst aber auch Bereiche der Verwaltung, die die selbst von solchen Digital Twins profitieren soll. In der Industrie haben solche virtuelle Abbilder den Vorteil, dass die Bruder- oder Schwester-Anwendung als „Versuchskaninchen“ sozusagen keinen Schaden anrichten kann und man an ihm oder ihr Neuerungen ausprobieren kann, ohne Unsummen für einen fertigen Prototypen ausgeben zu müssen.
Der Digital Twin kann das Abbild einer realen Anlage oder einzelner Sensoren und Aktoren sein, ebenso aber auch ein bestimmter Prozess, den man erproben möchte, um zu sehen, ob und wie er in der Lage ist, andere Prozesse oder Abläufe zu verbessern. Die in Echtzeit gesammelten Daten erlauben es, Maschinen oder bestimmte neue Bauteile in der industriellen Fertigung auf ihre Funktionalität zu überprüfen und Optimierungspotenziale mit Blick auf Predictive Maintenance auszumachen. Die Implementierung der digitalen Zwillinge scheint auf dem ersten Blick zwar teuer und kompliziert, kann sich mit dem passenden Setting aber sehr schnell bezahlt machen. Viele Unternehmen stehen erst am Anfang, die Möglichkeiten digitaler Zwillinge auszuloten, aber der anhaltende und sich noch verstärkende Fachkräftemangel wird die Entwicklung in den kommenden Jahren noch vorantreiben.
Fazit und Ausblick: Die hier genannten Digital-Trends für 2024 sind natürlich nur ein kleiner Ausschnitt. Man könnte den letzten auch durch den von Gartner als vorletzten genannten Trend austauschen, dass Maschinen zunehmend als Kunden auftreten und bis 2027 einen signifikanten Einfluss auf die Entscheidungsfindung in den Unternehmen haben werden. Allerdings sind Prognosen der meisten US-Marktforschungsunternehmen sehr stark US- und konzerngetrieben, Deutschlands Wirtschaft aber immer noch zu über 90 Prozent mittelstandsgetrieben, was zu unterschiedlichen Bewertungen führen kann. In Deutschland und der EU spielen der Datenschutz auch eine größere Rolle als über dem Großen Teich. Aber umso wichtiger ist es, in die Cybersicherheit zu investieren, denn Ransomware-as-a-Service (RaaS) ist schon für 40 oder 50 Dollar im Monat zu haben, kann aber bei einem einzelnen Unternehmen Millionenschäden anrichten. Interessanterweise stellt Gartner in seinen Trends auch Sustainability oder Nachhaltigkeit ganz oben an. Die USA investieren zurzeit sehr viel in grüne Technologien und regenerative Energien, bei einem Regierungswechsel in Washington könnte sich das aber Ende des Jahres schlagartig ändern. Aber wenn die globalen Temperaturen wie 2023 weiter ansteigen, wird der Druck steigen, die Pariser Klimaziele einzuhalten. Richtig genutzt, kann die Digitalisierung ein wichtiger Schlüssel dazu sein.
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