Generative KI entwickelt sich samt Ökosystem zum Billionenmarkt
Die Schätzungen für das Marktvolumen von ChatGPT & Co. reichen je nach Rechnung weit auseinander. McKinsey sieht einschließlich der globalen Auswirkung auf 63 Kernbranchen oder Anwendungsbereiche einen Billionenmarkt voraus.
Das mit den Billionen ist so eine Sache. Auf der kurzen Skala wie in den USA ist es eine Zahl mit neun Nullen, während die Billion auf der langen Skala wie in Deutschland und den meisten anderen europäischen Ländern 10¹² oder tausend Milliarden sind. Das meint die Unternehmensberatung McKinsey, wenn sie nun den globalen Dunstkreis von generativer KI auf „trillions of dollars“ taxiert und mit dem Bruttoinlandsprodukte von Großbritannien vergleicht. Das lag 2021 bei umgerechnet 3,1 Billionen Dollar.
Der jährliche Impact von generativer KI oder AI bei 63 Kernbranchen könnte der McKinsey-Studie bald bei 2,6 bis 4,4 Billionen Dollar liegen. Und damit soll sich das Marktvolumen von künstlicher Intelligenz um 15 bis 40 Prozent erhöhen, was einer Verdoppelung der Auswirkungen von in Software eingebetteter (embedded) generativer KI entspräche.
Unterschiedliche Bemessungsgrundlagen – unterschiedliche Zahlen
MarketsandMarkets wiederum hat gerade andere Zahlen veröffentlicht, wonach sich der globale Markt für generative KI bis 2030 von derzeit 11,3 auf 76,8 Milliarden Dollar in etwa versiebenfachen soll. Dabei sind aber nur die reinen Umsätze mit generativer KI abgebildet, während McKinsey das Marktgeschehen auf 63 Anwendungen ausdehnt, was die große Differenz zwischen den Zahlen erklärt.
Folgende Grafik zeigt die von McKinsey erwartete globale Auswirkung von generativer KI gegenüber Advanced Analytics und Machine Learning auf die Weltwirtschaft in „trillions“ oder besser Billionen Dollar:
McKinsey zufolge ist in Folge von generativer KI allein im Banking-Umfeld mit einem jährlichen Mehrwert von 200 bis 300 Milliarden Dollar zu rechnen, im Einzel- und B2C-Handel sollen es sogar 400 bis 650 Milliarden Euro im Jahr sein.
Heißt es bald: KI statt Baby Boomer?
Es ist gerademal zehn Monate her, dass ChatGPT im November 2022 mit seinen ungeahnten Fähigkeiten überraschte. Konkurrenzprodukte wie ein Anfang September 2023 von Meta-Chef Mark Zuckerberg angekündigtes Hochleistungs-KI-Modell ließen nicht lange auf sich warten. Und denken die McKinsey-Analysten schon, das generative KI und ähnliche Technologien das Potenzial haben, bald 60 bis 70 Prozent der täglichen Arbeitszeit von Angestellten zu übernehmen – und zu entlasten.
Ob Letzteres tatsächlich so eintritt oder sich als Euphemismus für Massenentlassungen herausstellt, wie von kritischer Seite befürchtet, wird sich erst zeigen. Tatsache ist aber auch, dass alle Branchen heute schon unter massivem Arbeits- und Fachkräftemangel leiden und sich das Problem noch verschlimmern wird, wenn all die Babyboomer um die 60 und älter erst in Rente gehen. Das ist auch zu berücksichtigen, wenn es heißt, dass durch KI bald 300 Millionen Arbeitsplätze wegfallen werden.
Es wird daher gar nicht ausbleiben können, dass Maschinen immer mehr Aufgaben übernehmen. Selbst vergleichsweise einfache Handwerksbetriebe wie Bäckereien gehen schon dazu über, Roboter und KI einzusetzen. McKinsey rechnet damit, dass zwischen 2030 und 2060 etwa die Hälfte der menschlichen Arbeit ersetzt werden könnte und der Peak bei 2045 liegen wird. Die in der Studie avisierte Ausbeute scheint dagegen mit einem Produktivitätszuwachs von 0,1 bis 0,6 Prozent jährlich bis 2040 eher gering zu sein. Kombiniert mit anderen Technologien soll die Work Automation auch nur 0,2 bis 3,3 Prozentpunkte mehr einbringen.
Staaten sollten sich dennoch beizeiten damit auseinandersetzen und über eine soziale Abfederung der Entwicklung nachdenken. In dem Zusammenhang wird, wie unter anderem von Microsoft-Gründer Bill Gates, immer wieder die Forderung nach dem bedingungslosen Grundeinkommen erhoben. Frithjof Bergmann, der Vater der New-Work-Bewegung, hat sich aber zuletzt dagegen ausgesprochen, weil damit der menschliche Antrieb fehlen könnte.
Manche Unternehmen haben aber auch schon begonnen, die 4-Tage-Woche einzuführen. Nebeneffekt der Entlastung durch KI könnte also eher eine Arbeitszeitreduzierung sein, um Beruf, Familie und Hobbys mehr in Einklang zu bringen. Eine bessere Work-Life-Balance ist gerade in der Generation Z sehr gefragt, die derzeit in die Berufswelt einsteigt.